Preisträger BDA Studienpreis des BDA Hessen 2023

Sonderpreis KI Master: Jan Granzow

Sonderpreis KI Master: Jan Granzow

„Das Amt für verlorene Berufe“

Verfasser*in: Jan Granzow
Hochschule: Technische Hochschule Mittelhessen Gießen / Fachbereich Bauwesen, Architektur
Betreuung: Prof. Dr.-Ing. Architekt Bartosz Czempiel
Semesterarbeit (Master) – Wintersemester: 2022/2023

Die Geschichte „Das Amt für verlorene Berufe“ und der dazugehörige Entwurf sind im Rahmen eines Moduls mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“ entstanden. Vorbereitend wurde im Kurs auf den Einsatz von KI bei der Erstellung von Bildentwürfen in der Architektur eingegangen und der Umgang mit entsprechenden Werkzeugen und Techniken vermittelt. Außerdem wurden allgemeine theoretische Grundlagen zum Thema erarbeitet und kritisch diskutiert.

Die Grundlage des Entwurfs bildet die vom Verfasser selbstgeschriebene Geschichte. Aus ihr leiten sich Ort, Zeit und Funktion des Entwurfs ab. Auf dieser Basis wurden kurze, stichpunktartige Texteingaben erstellt (sog. Prompts), aus denen dann mit einer KI-Visualisierungssoftware eine Vielzahl von Bildern erstellt werden konnte. Mit einer manuell nachbearbeiteten Auswahl dieser generierten Bilder wurde der Entwurf bzw. die Geschichte illustriert. Der so erstellte Entwurf wurde zudem als Planzeichnung dargestellt, wobei hauptsächlich herkömmliche nicht KI-gestützte Techniken zum Einsatz kamen.

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Das Amt für verlorene Berufe
von Jan Granzow

An einem grauen Wintermorgen verlässt Herr A. sein Haus, um zum ersten Mal das neu eröffnete Amt für verlorene Berufe aufzusuchen. Sein Weg führt ihn durch eine große, graue Stadt. Er gelangt an einen schneebedeckten Platz im Stadtzentrum, in dessen Mitte das große schwarze Hochhaus aufragt. Während er sich dem Gebäude nähert, folgt er mit dem Blick den zahlreichen Fußspuren, die von allen Seiten des Platzes zu dem kleinen Eingang führen. Vor dem Eingang hat sich eine Schlange von Menschen gebildet. Einer nach dem anderen betritt das Gebäude. Als Herr A. das Gebäude erreicht und sich einreiht sieht er, dass die Fassade aus dunklem, undurchsichtigem Glas besteht. In ihr spiegeln sich die Wartenden und in einer schlanken, schwarz gekleideten Person erkennt er sich selbst.

Herr A. ist einer der letzten Architekten. Als Kind sagte er immer, „Wenn ich groß bin, werde ich Architekt.“ Der kleine Herr A. konnte Stunden und Tage damit verbringen Gebäude aus kleinen bunten Bauklötzchen auf und wieder abzubauen. Natürlich studierte er später Architektur und war ein besonders fantasievoller und fröhlicher Student. Nach dem Studium begann er dann im Architekturbüro seines Vaters zu arbeiten und übernahm es nach einigen Jahren. Das Geschäft lief gut und sein Arbeitspensum stieg stetig an. Er arbeitete so viel, dass mit der Zeit seine kindliche Freude an der Architektur und seine Fantasie unbemerkt verloren gingen. Es wurde nur noch einen Auftrag nach dem anderen abgearbeitet. Und um noch mehr Projekte bewältigen zu können, wurden immer mehr digitale Werkzeuge zur Automatisierung von Arbeits- und Entwurfsprozessen eingesetzt. Künstliche Intelligenzen erstellten ganze Entwürfe und Ausführungsplanungen. Die Arbeit der Architekten beschränkte sich oft nur noch darauf Unterschriften zu leisten und Verantwortung zu übernehmen. Auch andere Architekturbüros arbeiteten auf diese Weise, um dem Wettbewerbsdruck standzuhalten. Und auch in allen anderen Branchen, in der Politik und in der Gesellschaft wurde der Trend zur digitalen Automatisierung immer stärker. Schließlich kam es zu einer Reform des Baurechts, die die Bauvorlageberechtigung für künstliche Intelligenzen ermöglichte. Die Mitarbeiter der Bauämter wurden durch wesentlich effizientere künstliche Intelligenzen ersetzt und sogar die Handwerker und Bauarbeiter wurden durch intelligente Maschinen ausgetauscht. Nun war kein Platz mehr für Architekten wie Herrn A. Von einem Tag auf den anderen wurde er nicht mehr gebraucht. Er wusste nichts mehr mit sich anzufangen und führte ein eintöniges und zurückgezogenes Leben. Viele Berufe erlitten ähnliche Schicksaale und so kommt es, dass Herr A. und viele andere an diesem Morgen in das neu eröffnete Amt für verlorene Berufe gehen. Vor ihm in der Schlange erkennt Herr A. einige bekannte Gesichter. Da ist Frau P. die Politikerin, Herr S. der Schauspieler und Frau R. die Richterin. Nun ist Herr A. an der Reihe, die Tür öffnet sich und schon steht er im Inneren des Gebäudes.

Der Gegensatz von außen und innen könnte nicht größer sein. Vor ihm breitet sich eine großzügige, helle Empfangshalle aus. Von allen Seiten strahlt helles Licht, die Wände und Decken leuchten in bunten Farben und überall wachsen große Pflanzen. Herr A. lässt seinen Blick nach oben schweifen und erkennt unzählige Galerien und Balkone. Mitten in diesem riesigen Atrium steht eine spiralförmige Treppe, die nicht zu enden scheint. Plötzlich steht eine Person vor ihm, die ihn freundlich fragt: „Und? Was bist du geworden als du groß warst?“. „Was für eine seltsame Frage.“, denkt Herr A. und vermutet, dass es sich um einen Mitarbeiter des Amts handelt. „Architekt.“, antwortet er. Daraufhin deutet die Person lächelnd zur Treppe und bittet ihn, nach oben zu gehen. Er folgt der Weisung und beginnt den Aufstieg. Vor ihm sieht er viele andere die Treppe hinaufgehen. Seltsamerweise scheinen die Menschen umso kleiner zu sein, je weiter oben sie sich auf der Treppe befinden. Als er einige Stockwerke zurückgelegt hat, bemerkt er, dass die Personen, die direkt vor und hinter ihm auf der Treppe gehen Jugendliche sind. Noch immer ist er nicht am Ende der Treppe angekommen und setzt den Aufstieg fort. Je weiter er nach oben gelangt, desto leichter fühlt er sich und die letzten Stufen steigt er fast springend hinauf. Oben angekommen endet die Treppe auf einer breiten Galerie. Überall sitzen, stehen, laufen, liegen, lachen und spielen nun auf einmal Kinder. Das Gefühl der Leichtigkeit verstärkt sich noch weiter und erschrocken stellt er fest, dass seine Hände und Füße ganz klein geworden sind. Auch erscheint ihm seine Umgebung auf einmal seltsam groß. Herr A. ist verwundert und versucht zu verstehen was passiert ist, als er auf einmal einen Haufen Bauklötzchen entdeckt. Der Anblick der bunten Bausteine lässt ihn seine unerklärliche Verwandlung augenblicklich vergessen. Mit strahlendem Gesicht setzt er sich zu den Bauklötzen und beginnt zu spielen. So vergehen viele Stunden, ohne dass er ein einziges Mal daran denken muss, weshalb er eigentlich hier ist. Plötzlich ruft eines der Kinder: „Da ist ja eine Rutsche!“. Und tatsächlich die Treppe, die Herr A. heute Morgen hinaufgestiegen war, ist verschwunden. An ihrer Stelle steht nun eine sehr lange Rutsche. Eins nach dem anderen rutschen die Kinder die Rutsche hinab. Nach einer rasanten Abfahrt, während der das Lachen der Kinder durch die röhrenförmige Rutsche noch verstärkt wird, landet Herr A. zusammen mit den anderen wieder in der Eingangshalle. Doch nun ist er wieder von denselben Erwachsenen umgeben, die am Morgen mit ihm zusammen das Gebäude betreten hatten. Auch er selbst ist zurückverwandelt. Er fühlt sich, als sei er aus einem Traum erwacht und geht verwirrt durch das große Atrium und gelangt so wie von selbst zu dem Eingang zurück, durch den er das Gebäude am Morgen betreten hatte.

Als Herr A. erneut den schneebedeckten Platz betritt, fühlt er sich verändert. Etwas von der Leichtigkeit, die er oben auf der Treppe gefühlt hat, ist in ihm geblieben. In Gedanken an die seltsamen Ereignisse des Tages findet er sich wenige Augenblicke später auf dem Nachhauseweg durch die große, graue Stadt wieder. Erst jetzt erinnert er sich wieder daran, dass er seinen Beruf verloren hat. Doch er ist zuversichtlich, und beschließt am nächsten Tag zurückzukehren.

Preisträger

BDA Studienpreis des BDA Hessen 2023 – BDA Mittelhessen

Der BDA Mittelhessen vergab 2023 zum fünften Mal den hessenweit ausgelobten Studienpreis des BDA Hessen an der Technischen Hochschule Mittelhessen THM in Gießen. Die Jury zeichnete eine Semesterarbeit im Bereich Master Architektur, ein Projekt im Bereich Bachelor Architektur aus und vergab einen Sonderpreis KI Master.

Wettbewerbsmodus: alle Semesterarbeiten.

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