Foto: studioeuropa

Preisträger max40 – Junge Architektinnen und Architekten 2021

Julian Chiellino, Felix Reiner, Sophie Reiner – Haus im Allgäu

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Julian Chiellino, Felix Reiner, Sophie Reiner – Haus im Allgäu

Projekt
Haus im Allgäu
Architekt
studioeuropa, München / Wien

 

Den Kern des kleinen Dorfs prägt eine über die Jahre immer wieder überformte Struktur, wie es für das Allgäu typisch ist. Das gewachsene Gefüge aus Bauernhöfen und Kirche wird durch Einfamilienhäuser und wenige Sonderbauten ergänzt. Das „Haus im Allgäu“ liegt inmitten dieser Struktur an einem kleinen Anger, der durch zwei Bauernhöfe und Schuppen geformt wird.

Die Erscheinung dieses Hauses geht maßgeblich auf die Auseinandersetzung mit dem Grundstück und dem Ort zurück. Das von der Straße rückversetzte Grundstück wurde durch Erbteilung zu einem Streifen von etwa 11 auf 70 Meter geformt. Auf diesem langen und schmalen Grundstück sollte ein ebenerdiges Haus errichtet werden, das schwellenfrei zu bewohnen ist. Die das Ortsbild bestimmenden, großen archetypischen Baukörper der Bauernhöfe waren für die Entwurfsentscheidungen wesentlich. So wurde das aus dem Vokabular der Ortsbebauung übernommene, geneigte Dach zum markanten Wesensmerkmal des Gebäudes. Dabei steht das Haus giebelständig zum Anger – der Giebel verläuft also entlang der langen Seite des gestreckten Grundstücks, die tiefgezogene Traufe entlang der kurzen. Diese für die Umgebung ungewöhnliche Ausrichtung verleiht dem neuen Haus seine Eigentümlichkeit.

Gleichzeitig fügt sich der Baukörper in seiner Kubatur als Haus mit geneigtem Dach in die traditionell bebaute Umgebung ein. Das geneigte Dach ist auch im Inneren das raumformende Element. Insbesondere im Wohnraum nach Süden kommt dies zur Geltung. Hier zieht sich der Raum von der Traufe bis zum First, und das langgestreckte Dach kann seine ganze Wirkung entwickeln. Dieser überhohe Raum mit einer eingestellten Galerie ist der Hauptraum des Hauses. Er öffnet sich über großformatige Fenster nach Osten und Westen, die Traufseite nach Süden ist vollständig verglast. Über die überdachte Terrasse reicht der Blick bis tief in den Obstgarten.

Auch alle weiteren Wohnräume sind direkt unter dem großen Dach untergebracht. Das Schlafzimmer mit Bad im Norden, das Arbeitszimmer orientiert sich nach Westen, der Gästebereich findet im kleinen Obergeschoss Platz. Die Nebenräume sind im flachen, dem Haupthaus untergeordneten Nebentrakt organisiert. Außen wird dieser Teil des Hauses von der Veranda eingefasst. Sie bildet die Schwelle zwischen Anger und Haus, vermittelt zwischen innen und außen.

Julian Chiellino, Felix Reiner
und Sophie Reiner
studioeuropa
Reiner Chiellino
Architekten Part mbB
Schellingstraße 153
80797 München
Webgasse 12
1060 Wien, Österreich
www.studioeuropa.eu
E-Mail

 

Preisträger

max40 – Junge Architektinnen und Architekten 2021 – Preise

An den Ort der Herkunft zurückkehren und ein Zuhause finden.
Eine Herausforderung für die Architekten: Ein nur etwa 11 Meter
breites Grundstück in Nachbarschaft zum Elternhaus für das neue
Wohnhaus im gewachsenen Kontext. Das Konzept überzeugt vielfach.
Ein sehr langgestreckter Baukörper, eigentlich ganz unauffällig
im Lageplan, umgeben von Bauernhäusern und Wirtschaftsbauten
in der zweiten Reihe. Selbstbewusst erhält das moderne
Wohnhaus auch ein Satteldach, welches eine Einheit mit den teils
flacher geneigten Vordächern eingeht und dadurch dem Baukörper
in einfacher Weise Maßstäblichkeit verleiht. Nicht alltäglich: die
Ausrichtung des Satteldachs über die Längsseite. Bewusst entstehen
damit sehr spannende Perspektiven und Proportionen rund um
das Haus, welche auch Bezüge zu den Nachbarbauten herstellen.
Damit behauptet sich das Haus auch gegenüber den ruhenden
Volumen der großen Bauernhäuser. Der Gebäudekomplex bleibt
unschuldig ganz in Hellgrau, verliert sich auch nicht im Detail und
wirkt trotz der Konsequenz damit sehr leicht und unglaublich frei.
Die Klarheit setzt sich auch im Innenraum fort. Der Grundriss des
schmalen Baukörpers mit hohem Wohnwert wird konsequent zur
freien Südseite mit Garten ausgerichtet. Das Dachvolumen wird
dabei spannend ins Wohnkonzept mit Luftraum und oberer Raumebene
integriert. Das kleine Haus ist dadurch sehr großzügig. Das
gesamte Konzept ist wirtschaftlich, ohne viel Materialeinsatz und
auf Langlebigkeit ausgerichtet. Damit wird es heutigen Anforderungen
mehr als gerecht und nimmt eine Vorbildrolle ein. Einfach und
originell eben.

Für die Jury
Steffen Lauterbach